Umwandlungsverbot in Milieuschutzgebieten.

Gesetzliche Ausnahme (7-Jahre-Verkauf nur an Mieter) wird zur Regel

 

Problem

Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen steht in Milieuschutzgebieten unter einem Genehmigungsvorbehalt und ist damit zur Erreichung der Ziele der Erhaltungssatzung dem Grunde nach verboten. Das BauGB sieht allerdings im § 172 Absatz 4 einige Ausnahmetatbestände vor, bei denen eine Genehmigung zur Umwandlung zu erteilen ist. Wobei eine dieser Ausnahmen sich als Scheunentor zur Umgehung des Umwandlungsverbots erweist: Das ist die Verpflichtung des Eigentümers, innerhalb von 7 Jahren ab Begründung des Wohnungseigentums Wohnungen nur an Mieter zu veräußern.

Nach dieser Ausnahmeregelung finden trotz Umwandlungsverbots in den Berliner Milieuschutzgebieten im größeren Umfang Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen statt. „Zwischen dem 14.03.2015 und dem 30.06.2020 wurde für 93 % der 21.000 Wohnungen, für die eine Umwandlung beantragt wurde, als Begründung die „Selbstverpflichtung des Eigentümers – 7 Jahre Veräußerung nur an Mieter“ gewählt (BauGB § 172 Absatz 4 Satz 3 Nr. 6)“.[1]

Die Verpflichtung, 7 Jahre nur an Mieter zu verkaufen, ist in der Praxis zu einem vielfach genutzten Instrument der Umgehung des Umwandlungsverbots geworden. Trotz des Umwandlungsverbots geht die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen nicht nur weiter, sondern sie beschleunigt sich sogar.

Der Verweis darauf, dass diese Zahlen, gemessen am Gesamtwohnungsbestand, nicht so dramatisch seien, ist irreführend. Zum einen befinden sich in den Milieuschutzgebieten viele Wohnungen auch im Eigentum von Genossenschaften und kommunalen Wohnungsbaugesellschaften und sind so per se nicht umwandlungsfähig, und zum anderen kommen diese fast 21.000 Wohnungen additiv zu den bereits in den Jahren vor 2015 umgewandelten Wohnungen und denen außerhalb der , Milieuschutzgebiete hinzu.

Änderung des BauGB erforderlich

In der R2G-Koalitionsvereinbarung war ein Vorstoß des Landes Berlin im Bundesrat vereinbart, um diese Ausnahme vom Umwandlungsverbot aus dem Baugesetzbuch zu streichen. Das Land Berlin stellte bereits im Januar 2017 den Antrag im Bundesrat, die Regelung des § 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 6 BauGB ersatzlos zu streichen. Der Antrag fand keine Mehrheit. Berlin hat in der Folge diesen Vorschlag im Oktober 2018 in die Bauministerkonferenz (BMK) eingebracht.

Nach dem „Wohngipfel“ der Bundesregierung im September 2018 entwickelte sich die Absicht, ein Umwandlungsverbot für ganze Gemeinden mit einem angespannten Wohnungsmarkt zu ermöglichen. Auch die Streichung der 7-Jahre-Ausnahmegenehmigung für die Milieuschutzgebiete stand zur Diskussion. In dem am 4. November 2020 von der Bundesregierung verabschiedeten Gesetzentwurf ist eine Streichung der konterkarierenden Ausnahmeregelung vom Umwandlungsverbot in den Milieuschutzgebieten nicht mehr vorgesehen. Die Ermächtigung, im Falle eines angespannten Wohnungsmarktes und einer Gefährdung der Wohnraumversorgung ein Umwandlungsvorbot für das ganze Gemeindegebiet erlassen zu können, ist nach einigem Hin und Her in der rot-schwarzen Regierungskoalition wieder enthalten. Die Immobilienverbände und auch einzelne CDU- Abgeordnete haben dagegen Widerstand angekündigt. 

Arbeitshilfe – Wer ist Mieter?

Das heftige Umwandlungsgeschehen in den Milieuschutzgebieten trotz Umwandlungsverbots war frühzeitig absehbar und wurde durch die Berliner Genehmigungspraxis befördert. Deshalb thematisierte Katrin Lompscher noch als MdA in einer Schriftlichen Anfrage Umwandlungen ohne Ende trotz Umwandlungsverordnung?“ (Drs. 17 / 19 037) diese Entwicklung und problematisierte dabei auch die „Arbeitshilfe für die Berliner Bezirksämter zur Anwendung der Umwandlungsverordnung“ aus dem Jahre 2015, die u.a. besagte, dass zu dem Kreis der Mieter, an den eine in Sondereigentum umgewandelte Wohnung verkauft werden darf, auch „erst nach Umwandlung in die Wohnung oder das Gebäude eingezogene Personen“ gehören.

Diese Regelung war ein Umwandlungsanreiz und lud zum Missbrauch ein. Sie erhöhte den Verdrängungsdruck auf die Bestandsmieter. Die Verdrängung der Mieter und die Vermietung an „Käufer in spe“ wurde so zu einem Geschäftsmodell, das den Milieuschutz konterkariert.

Mieterinitiativen und auch die LINKE hatten deshalb gefordert, dass bis zur Abschaffung der Ausnahmeregelung im BauGB die Genehmigungspraxis in Berlin restriktiv sein solle: Mieter ist nur, wer zum Zeitpunkt der Umwandlungsgenehmigung Mieter der Wohnung war. Die Umwandlungsgenehmigung sollte mit der Vorlage einer Mieterliste verknüpft werden. Eine solche Berliner Auslegung der Ausnahmeregelung des BauGB sei möglich.

Angesichts der Turbulenzen beim Start der neuen linken politischen Leitung der Senatsverwaltung geriet die Änderung einer „Arbeitshilfe“ verständlicherweise aus dem Blick. Nach dem absehbaren Scheitern der Berliner BR-Initiative hat sich allerdings SenSW eine ganze Weile mit dem Problem und der geforderten und erforderlichen Änderung der Arbeitshilfe hinsichtlich des Umgangs mit der Ausnahmeregelung nach § 172 (4) S. 3 Nr. 6 nicht befasst.

Auf eine Schriftliche Anfrage von Gaby Gottwald (Linke) im September 2017 (Drs. 18/12370) zu dem entsprechenden Passus der Arbeitshilfen antwortete SenSW u.a.: „Die in der Arbeitshilfe dargestellte Rechtsauffassung, dass als Mieter im Sinne des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB auch anzusehen ist, wer erst nach der Begründung von Wohneigentum in das Gebäude oder die Wohnung zog, hat sich nicht geändert.“ Zwar sei eine Umgehung des Gesetzeszwecks auf diesem Wege nicht ausgeschlossen, aber einerseits würden die Bezirke durch zusätzliche Bedingungen bei der Verkaufsgenehmigung versuchen, dies zu unterbinden, und andererseits seien die tatsächlichen Verkäufe an Mieter bislang sehr selten. (15 WE = 0,3 %). (September 2017)

Uneinheitliche Genehmigungspraxis in den Bezirken

Die Praxis der Genehmigung beim Verkauf an Mieter gem. der 7-Jahres-Regelung war in den Bezirken nicht einheitlich.

In Pankow gilt gemäß Antwort auf eine Kleine Anfrage (0717/VIII):

Als Mieter wird anerkannt, wer als Folge einer auf Dauer angelegten Gebrauchsüberlassung eine tatsächliche Nutzungsbeziehung zu der veräußerten Wohnung erlangt. Dabei kann es sich um Mieter handeln, die bereits zum Zeitpunkt der Umwandlung die Wohnung bewohnten oder diese nach Freiwerden angemietet haben. Dies ist durch geeignete Unterlagen nachzuweisen.
Zum Nachweis sind einzureichen: Mietvertrag, Meldebescheinigung, Kontoauszüge zum Nachweis der erfolgten Mietzahlung. Gegebenenfalls werden nach Vorliegen dieser Unterlagen weitere nachgefordert.
Erfolgte der Verkauf einer Wohnung unmittelbar nach Abschluss eines Mietvertrages bei Neuvermietung, ist davon auszugehen, dass der Mietvertrag bereits mit der Absicht des Erwerbs der Wohnung abgeschlossen wurde. Eine Zustimmung zum Verkauf erfolgt dann nicht.

Angesichts der gewöhnlich „eigentümerfreundlichen Grundhaltung“ des Pankower Bauamtes schien damit dem Missbrauch und der Mietervertreibung ein Scheunentor geöffnet, so die Befürchtungen vieler Mieter.

In Neukölln hat das Bezirksamt 2019 beschlossen, „den Verkauf zukünftig erst dann (zu genehmigen), wenn die jeweiligen Mieter*innen zum Teil der schützenswerten Wohnbevölkerung geworden sind. Dies ist regelmäßig frühestens nach einer Mietdauer von zwei Jahren, in der die Mieter*innen mit Hauptwohnsitz in der Wohnung gelebt haben, der Fall.“

In Friedrichshain-Kreuzberg verfolgte man eine restriktive Linie, bemaß diese aber nicht an einer bestimmten Dauer des bestehenden Mietverhältnisses, sondern beurteilte die faktische Verankerung im Kiez im Einzelfall. So bleibe für das Bezirksamt ein Handlungsspielraum für die Tatsachenprüfung, ob hier ein Umgehungstatbestand hinsichtlich des Gesetzgebungsziels vorliege. Und für die Wohnungshändler bleibt eine Ungewissheit (und damit ein Risiko) hinsichtlich der Bewertung des Bezirksamtes, ob der „Mieter“ berechtigt ist, die Wohnung zu kaufen.

Diese Bezirksämter folgten insoweit der alten Darstellung von SenSW in der Arbeitshilfe, dass man einem nach der Umwandlung eingezogenen Mieter nicht grundsätzlich den Kauf der Wohnung versagen kann.

Im Übrigen ist Mieterin oder Mieter nur, wer als Folge einer auf Dauer angelegten Gebrauchsüberlassung eine tatsächliche Nutzungsbeziehung zu der veräußerten Wohnung hat. Zu den Mindestvoraussetzungen gehören dabei neben dem Vorliegen eines Mietvertrages die ordnungsgemäße Meldung in der Wohnung sowie die reale Zahlung einer Miete (Oberverwaltungsgericht [OVG] Hamburg, Urt. V. 28.11.2002 – 2 Bs 2009/00). Auch wenn ein soziales Erhaltungsgebiet in Kraft gesetzt wird, gibt es weiterhin Fluktuation. Eine Einschränkung auf einen „StichtagsMieter“ enthält das Gesetz nicht. Denn das Gesetz bezweckt gerade keinen individuellen Mieterschutz im engeren Sinn (BVerwG, Urteil vom 30.06.2004 – 4 C 1/03; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch Kommentar, Stand Mai 2016, § 172 Rn 199). Das Gesetz sieht jeden als Mieterin oder Mieter an, der die genannten Voraussetzungen erfüllt, unabhängig davon, wann er die Wohnung angemietet hat.
(Antwort auf Schriftliche Anfrage Drs. 17/19037.)

Diese Ausführungen von SenSW sind nicht überzeugend. Das Gesetz trifft keine Aussage, wer im Sinne des Gesetzes Mieter ist. Was dies mit einem nicht einschlägigen individuellen Mieterschutz zu tun haben soll, ist nicht erklärlich. In der Arbeitshilfe steht dies auch nicht in dieser Form.

Im Gegenteil, das angeführte OVG Hamburg sagt: Der hier zu entscheidende Fall gibt keine Veranlassung, den Begriff des Mieters im Sinne von § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB abschließend zu klären. Jedenfalls bestimmt sich dieser Begriff nicht allein nach zivilrechtlichen Maßstäben, sondern ist unter Beachtung des Gesetzeszwecks auszulegen.

Die angeführte Entscheidung des OVG Hamburg (anschließend auch das BVerwG 4 C 1/03) bestätigt die Nichtgenehmigung (!) eines Verkaufs an einen Mieter, der nach der Umwandlung in eine zum Zeitpunkt der Umwandlung leerstehende Wohnung eingezogen war. Beide Gerichte stellen in der Begründung lediglich klar, dass nicht in jedem Fall, in dem der Mietvertrag nach der Umwandlung abgeschlossen wurde, von einem Umgehungstatbestand ausgegangen werden könne. Deshalb sei eine harte Stichtagsregelung aus dem Gesetz nicht herleitbar. Dies würde über die Zielsetzung, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten, hinausgehen und sich als unverhältnismäßig erweisen.

Beide Gerichte billigen den Behörden bei der Entscheidung über die Genehmigung des Verkaufs einen erheblichen Ermessensspielraum zu, um auszuschließen, dass der Gesetzeszweck bei dem Wohnungsverkauf unterlaufen wird, wenn der Mietvertrag bereits mit der Absicht des später folgenden Wohnungskaufs abgeschlossen wurde.

Ergänzung der Arbeitshilfen in 2020

Infolge des massiven Anstiegs der Anträge und Genehmigungen der Umwandlung in den Milieuschutzgebieten mit Bezug auf die Ausnahme nach Nr. 6. und der unterschiedlichen Handhabungen in den Bezirken gab es eine öffentliche und eine verwaltungsinterne Diskussion. Im Ergebnis hat im Juli 2020 die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen Katrin Lompscher den Bezirksbaustadträten verabredungsgemäß eine Ergänzung der Arbeitshilfen zum Punkt 2.1.7. Selbstverpflichtung des Eigentümers – § 172 Absatz 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB übersandt.

In der überarbeiteten Fassung dieses Punktes der Arbeitshilfe werden in Anlehnung an die Neuköllner Regelung Kriterien für die Feststellung, wer als kaufberechtigter Mieter im Sinne des Gesetzes gilt, ausgeführt. Die folgenden Tatbestände sollen kumulativ erfüllt sein:

  • ein mindestens seit 2 Jahren bestehendes Mietverhältnis auf der Basis eines vorzulegenden Mietvertrages,
  • für diesen Zeitraum von mindestens 2 Jahren sind reale Mietzahlungen nachzuweisen und mindestens eine Betriebskostenabrechnung vorzulegen,
  • Anmeldung seit diesen 2 Jahren als Hauptwohnsitz.

Unbeschadet möglicher weiterer Feststellungen seien bei der Antragstellung diese Nachweise vorzulegen. Zudem wird in der Neufassung festgestellt, dass formal nicht Mieter i.S. § 172 Absatz 4 Satz3 Nr. 6 ist, wer

  • im gleichen Haus wohnt, aber eine andere leerstehende Wohnung kaufen will,
  • bisher in einem anderen Gebäude im Erhaltungsgebiet wohnte.

In den beiden Fallkonstellationen läge es im Ermessen des Bezirks, den Kauf im Einzelfall zu genehmigen, wenn das Schutzziel der Verordnung, der Erhalt der sozialen Zusammensetzung der Wohnbevölkerung, dem nicht entgegensteht.

In keinem Fall sei die Genehmigung zu erteilen, wenn die antragstellende Person zwar in der Wohnung wohnt, aber das Mietverhältnis nur abgeschlossen wurde, weil von vornherein der Kauf der Wohnung beabsichtigt war.

Fazit:

Die Präzisierung des Abschnitts 2.1.7 der Arbeitshilfen ist ein Fortschritt und führt hoffentlich zu einer einheitlichen strengen Genehmigungspraxis in den Bezirken. Ob das zu einer merklichen Dämpfung der Anträge auf Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in den Milieuschutzgebieten beitragen wird, ist offen. Die konsequentere Regelung, dass grundsätzlich kaufberechtigter Mieter ist, wer zum Zeitpunkt der Umwandlung Mieter der Wohnung war, wäre m.E. auch rechtskonform möglich, wenn dies mit einer Einzelfallprüfung und mit Ausnahmetatbeständen verbunden würde, wenn also der Erwerb durch später eingezogene Mieter im Einzelfall nicht ausgeschlossen wäre, wie es in der oben zitierten Urteilsbegründung heißt.

Aber letztlich kann nur die Streichung des Punktes 6 im § 172 Absatze 4 Satz 3 BauGB diese vielfach genutzte Umgehung des Umwandlungsverbots in den Milieuschutzgebieten beenden. Jetzt ist der Bundestag gefordert, das von der CDU-SPD-Regierung eingebrachte Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuches in diesem für die Mieter wichtigen Punkt nachzubessern.

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[1] Umwandlungsbericht 2018/19 Seite 18

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