Bürgerwut an der Michelangelostraße

Die BVV hat schon manchen Bürgerprotest erlebt. Was sich aber am 12. Februar zur Sitzung des Ausschuss für Stadtentwicklung entlud, war außergewöhnlich heftig. „Verarschung“, „Verdunkelung“, „Betrug“, „korrupte und unfähige Politiker“ – mit diesen Worten machten zahlreichen Besuchern ihrer Wut Luft. Über 200 Bürger waren gekommen. In den Tagungsraum passten nur wenige Besucher rein. Das heizte den Unmut an. (siehe Video unten) Der Tagesordnungspunkt, der so viele auf die Beine gebracht hatte, war die Vorstellung des Ergebnisses eines städtebaulichen Wettbewerbs zur neuen Wohnbebauung an der Michelangelostraße. Die Behandlung des Tagesordnungspunktes musste abgesetzt werden.

In einer Sondersitzung am 10. März im BVV Saal wurde die Vorstellung, wieder unter großer Beteiligung von Anwohnern, nachgeholt. Das Bebauungskonzept des Wettbewerbssiegers wurde präsentiert und erläutert. Es soll nun in mehreren Schritten vertieft und in ein B-Planverfahren überführt werden, das Stadtrat Kirchner 2016 bis 18 durchführen will. Mit dem Bauen könnte so 2019 begonnen werden. Das ist noch „sehr sportlich“ wie Kirchner einräumte.

Grundsätzlich hält die Linksfraktion an der Michelangelostraße eine ergänzende Wohnbebauung für städtebaulich sinnvoll gestaltbar. Allerdings weist das vorgestellte Konzept auf den ersten Blick erhebliche Defizite auf, die vermutlich aus den Zwängen der Aufgabenstellung resultieren. Einerseits werden viel zu viele Wohnungen geplant. Was die Bebauung zu dicht und zu massiv werden ließe. Andererseits bleibt die überbreite Michelangelostraße wegen der weiterhin verfolgten Planung des „Mittleren Ringes“ (A 100) unangetastet. In der Konsequenz führt das absehbar zu einer Minderung der Wohnqualität in den Bestandswohnungen. So sind beispielsweise die Wohnriegel, die an der Nordseite der Straße unmittelbar vor die Zeilenbauten der Wohnungsbaugenossenschaften Zentrum und Merkur gesetzt werden sollen, augenscheinlich unverträglich für viele Bestandswohnungen.

Ein grundlegendes Manko des planerischen Herangehens beruht auf der Abgrenzung des Plangebietes. Das Wohnquartier südlich der Hans-Eisler-Straße bleibt ausgespart. Das führt z.B. bei der Bearbeitung der Stellplatzproblematik zur absurden Situation, dass die Stellplätze an der Hans-Eisler-Straße nicht im Zusammenhang mit den Bestandswohnungen der angrenzenden Wohnsiedlung gedacht und gerechnet werden. Dabei waren bei der Errichtung des Gebietes die Stellplätze zu einem erheblichen Teil vor die Wohnbebauung nach außen verlagert worden. Die kann man jetzt nicht einfach als entbehrlichen Luxus bezeichnen, wenn man gleichzeitig für die Neubauten 4 neue Stellplätze auf 10 Wohnungen plant. Dass man 1178 neue Stellplätze in Tiefgaragen unter die neuen Wohnblöcke und einen Sportplatz plant und somit eine großflächige Versiegelung des Gebiets herbeiführt, scheint stadtökologisch eine unausgegorene Idee zu sein.

Der Planungsprozess steht noch am Anfang. Wenn nicht einige Grundparameter der Planung erheblich verändert werden, wird schwerlich etwas Gutes für die Stadt herauskommen. Am 09.April wird in einer Bürgerversammlung in der Gethsemane-Kirche eine Vorstellung des Projekts durch die Senatsbaudirektorin Regula Lüscher erfolgen.

Michail Nelken (März 2015, „extraDrei“)

 

Sturm auf die Ausschusssitzung am 12. Februar 2015