Die Geschichte ist das Weltgericht. – Wer richtet die Geschichte?

In der ersten Jahren der PDS, die sich 1989/90 aus der SED heraus gegründet hatte, spielten Debatten um die Vergangenheit der Partei, um die Geschichte von DDR und SED, um die Geschichte des Sozialismus/Kommunismus sowjetischer Prägung und um den „Stalinismus“ eine herausragende Rolle. Die Bekenntnis des Außerordentlichen Parteitages der SED im Dezember 1989 „Wir brechen unwiderruflich mit dem Stalinismus als System!“ gilt als „Gründungskonsens“ der PDS. (1)

Neben der Annäherung an historischen Tatsachen und Wahrheiten, die von der offiziellen Parteigeschichtsschreibung der SED geleugnet oder verzerrt worden waren, ging es dabei natürlich auch stets um die geistige und letztlich auch politische Ausrichtung dieser sich in einem radikalen Umbruch befindlichen Partei. Die „Geschichtsauseinandersetzung“ war immanenter Bestandteil einer Richtungsauseinandersetzung.
„Für eine radikale Aufarbeitung und eine konsequente Opposition“ titelte eine Erklärung der linken Strömung in der PDS aus dem Jahre 1991. Ich engagierte mich in dem auf gesellschaftliche Opposition orientierenden linken Parteiflügel in Auseinandersetzung mit dem reformerischen, auf Integration in die bundesdeutsche Gesellschaft orientierten Mainstream der Partei und dem konservativ orthodoxen rechten Flügel um die kommunistische Plattform, dessen Etikettierung als „linker Flügel“ auf einem tradierten ideologischen „Miss“verständnis beruhte, dass sowohl in den Reihen der PDS wie auch in der öffentlichen Meinung gepflegt wurde. (Siehe dazu meinen Beitrag Gespenster-Diskussion. Zur Ambivalenz von „Kommunismus“ und „Antikommunismus“ in der PDS ,  Disput 1/ 1995. )

Auf der Konferenz „5 Jahre PDS in der BRD“ im November 1995 resümierte ich die „Stalinismusdebatte“ der ersten Jahre in einem Beitrag unter dem Titel: „Dualität und Identität. – Schwierigkeiten einer Emanzipation vom Stalinismus. Zur Stalinismusdebatte in der PDS.“ Der Erschien im Sammelband „ …..“ Berlin 1996.  (Der Text der Rede download.)

1998 erschien im telegraph eine weitere Analyse der Geschichtsdebatte in der PDS: Identität Legitimität Legitimation. Zur Geschichtsdebatte in der PDS. telegraph 2/1998.

Zudem hier eine Reihe von Texten, die ich verfasste bzw. an deren Abfassung ich mitgewirkt habe:

Sie wurde in gesammelt mit anderen Beiträgen in der Reihe „controvers – Diskussionsangebot der PDS“ unter dem Titel Geschichte – ja aber .

Es sind geschichtspolitische Texte in einer konkreten politischen Auseinandersetzung um die Interpretation der Geschichte als Bestandteil der Gegenwartsorientierung. Als historiographische Wortmeldungen hätten sie abgewogener und quellenbasiert abgefasst sein müssen. Aber auch diese geschichtspolitischen Texte würde ich heute, über 25 Jahre später, anders formulieren, denn die politischen Auseinandersetzungslinien innerhalb der Linken haben sich erheblich verändert.

In der geschichtspolitischen Debatte der Bundesrepublik über die DDR und dessen Erbe scheint dagegen die Zeit still zu stehen. „Stasi“ und „Unrechtsstaat“ sind immer noch die dominanten Begrifflichkeiten. Auch wenn „ja nicht alles schlecht war“, so geistert das Schreckgespenst „ddr“ durch die alltäglichen politischen Debatten. Ob es um Schulpolitik und Kindergärten, Wirtschaftspolitik und Kleingärten, Wohnungs- und Mietenpolitik geht, „wie in der DDR“ erschallt der Schreckensruf von den Podien und durch die medialen Auditorien. Um so lauter, je mehr die Warner den Eindruck haben, dass sie bei einem größeren Publikum zu wenig Erschrecken auslösen. Der Sozialismus ist zurück.

(1) Rede von Michael Schuman auf dem Außerordentlichen Parteitag im Dezember 1898